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Der Asteroid
Die Katastrophe
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Entnommen dem Roman "alpha Centauri - Auf der Suche nach besiedelbaren Planeten"  ©Copyright Fritz Reichert

Als sie aus dem Fenster sah, gewahrte sie eine Veränderung der Farbe des Himmels. Das tiefe Blau veränderte sich in ein Stahlblau, das schnell in ein hässliches Grau überging. Verwundert nahm sie diese Änderung zur Kenntnis. Da stürmte Theo Sagan in den Arbeitsraum: „Hephaistos ist zerstört worden. Teile von ihm werden die Erde treffen”, schrie er. Theo Sagan, dessen Vorfahr Carl Sagan sich große Verdienste in der Erforschung erdnaher Asteroiden gemacht hatte, war ihr in den vergangenen Jahren ein liebenswerter Kollege geworden.
Aus dem sonst ruhigen Wissenschaftler war ein nervöses Bündel geworden. „Wenn er so reagiert, dann wird es stimmen”, schnellte es durch Tasias Kopf. Sie löste erst einmal das Signal für einen Brandalarm aus. Viele Wissenschaftler in Siding Spring schliefen tagsüber, weil sie nachts arbeiteten.
Der Heulton riss sie aus ihrem Schlaf. Sie begriffen schnell, was passiert sein könnte. Selbst wenn sie es nicht glaubten, so verhielten sie sich doch so, als wäre es geschehen. In Blitzesschnelle wurden die Richtfunkantennen gekappt, wie sie es gelernt hatten, wenn Gefahr in Verzug war. Decken, Gasmasken, Sauerstoffgeräte, kurz alles, was zur Notversorgung in Ausnahmefällen gehörte, wurde in das Observatoriumsgebäude gebracht, da kündigte sich schon durch ein schrilles und schnell immer lauter werdendes Pfeifen noch nie erlebtes Unheil an. Mit unglaublicher Geschwindigkeit fegte ein heißer Orkan von den Bergen kommend über sie hinweg.
Man hatte sich im Kuppelbau des Observatoriums versammelt, und Theo Sagan hatte die letzten Minuten des Berichts über den erhofften Vorbeiflug von Hephaistos und die Ansprache der Generalsekretarin Lu-ni aufgezeichnet und wiederholte dies immer wieder vor einem ungläubigen Publikum. Die Stimmung der Wissenschaftler schwankte zwischen betretenem Schweigen und unaussprechlicher Wut. „Das Werk von Verrückten”, oder „Vielleicht sind es Außerirdische gewesen”, hörte man. „Darum geht es jetzt nicht”, sagte Tasia. Sie hatte eine starke Stimme und konnte sich trotz des höllischen Lärms, der bis in das Innere des Observatoriums gelangte, und der gärenden Unruhe Gehör verschaffen. „Wir müssen überlegen, und zwar sehr schnell, wie wir hier überleben können. Wir sind 30 Personen. Wir brauchen jetzt Schutz vor dem zu erwartenden Bombardement von glühenden Steinen und vor der zu erwartenden heißen Strahlung aus der Stratosphäre. Wir sollten uns nur in diesem Kuppelbau aufhalten und die Stahltore ständig geschlossen halten. Wer jetzt ein Tor öffnet, muss damit rechnen, dass die heiße Luft ihn augenblicklich tötet. Diese überhitzte Luft kann dann bis in diesen Raum eindringen und alles vernichten. Ich nehme an, dass der Anbau bereits verglüht ist. Hoffentlich sind die Vorräte im Keller noch verwertbar, sollten wir hier lebend wieder herauskommen. Das können wir aber erst nach zwei bis drei Tagen feststellen.”
Ihre Ausführungen wurden durch ohrenbetäubende Geräusche begleitet, die von der zerstörerischen Kraft der heißen Luft herrühren mussten. Schließlich bewegte sich auch der Betonboden des Observatoriums merklich.
„Hoffentlich bleibt die unter dem Observatorium befindliche Energieversorgung intakt”, dachte sie. Sobald man in die Nähe der Wände kam, spürte man eine Wärmestrahlung, die von dort ausging, obwohl das Observatorium zum Schutz gegen nächtliche Kälte und gegen die Wärme einer tropische Sonne gut isoliert war. Ab und zu knallte etwas auf die Kuppel oder gegen die Außenwand. Unwillkürlich zogen alle den Kopf ein. Aber das Gebäude hielt dem Gesteinsbombardement noch stand.
„Diesem Steinregen muss unser Gebäude noch mehrere Stunden standhalten,” kommentierte Theo Sagan diese Geräusche.
Er hatte eine Idee: „Vielleicht ist noch eine unserer Außenkameras in Ordnung?”
Um sich vor ungebetenen Besuchern zu schützen, unter anderem auch gegen Mülltonnen durchsuchende Kängurus, hatte man rund um das Observatorium Außenkameras angebracht. Bei Erschütterungen des Bodens schalteten sie sich nachts ein, und man hatte Gelegenheit, der Ursache nachzugehen.
Man ging an die Zeituhr und schaltete die Nachtzeit aus. Fasziniert starrten die Wissenschaftler auf den Bildschirm, der ihnen jetzt ein Bild der Außenwelt lieferte: Kängurus hatten sich den Gebäuden genähert, denn der Wald brannte lichterloh. Einige waren von heißen Steinen getroffen worden und lagen im Todeskampf am Boden. Andere brannten bei lebendigem Leibe und wälzten sich verzweifelt.
Das Gästehaus, die Unterkünfte, die Mensa: alles war in Flammen. Der Wasserturm hatte sich zur Seite geneigt, war aber noch nicht umgekippt. Der Himmel hatte sich verdunkelt und nahm eine drohende, tiefrote Färbung an. Durch diese Röte sausten permanent, wie Schwärme von Sternschnuppen, Tod bringende Meteoriten auf die Erde.
Die Männer und Frauen vor dem Bildschirm sahen, wie hier und da ein glühender Klumpen auf den Boden fiel, wie er in hundert glühende Teile zersprang. Wohin diese trafen, entfachten sie augenblicklich ein Feuer, falls es dort nicht schon brannte. „Das müssen Teile des zerstörten Asteroiden oder Brocken von der Erde sein,” erklärte Theo Sagan. „Ihr seht, dass alle Körper nach unten fallen. Sie sind also nicht mehr auf dem aufsteigenden Kurs. Daher ist der Einschlag ziemlich weit von uns entfernt.
Auch kommen sie alle aus nordnordöstlicher Richtung. Da wir die Größe des Körpers, der die Erde getroffen hat, nicht abschätzen können, dürfte der Ort des Einschlags zwischen den Salomon- und den Midway-Inseln gelegen haben. Diese Richtung kann zur Folge haben, dass die Dividing Range, die sich zwischen uns und dem vermuteten Einschlagsort befindet, etwas von den verheerenden Stürmen und Hitzewellen abhält.
Vielleicht haben wir Glück gehabt, dass wir hier am Westrand der Blauen Berge die Katastrophe erleben”, sagte Theo Sagan, und er fuhr in seiner Analyse fort.
„Wenn der Körper nur wenige hundert Meter groß war und bei den Salomon-Inseln in den Pazifik gefallen ist, sind die unmittelbaren Verheerungen durch Hitze, Sturm und Gesteinsbombardement nicht so groß. Wie ihr wisst, ist groß ein relativer Begriff. Ich will sagen, in diesem Fall wären nur 2,5 Milliarden Menschen in Indonesien und eine halbe Milliarde Menschen an der Ostküste Australiens betroffen. Der Druck beim Aufprall auf die Erdkruste dürfte aber zu einer erheblichen Intensivierung des Vulkanismus führen, der alle Menschen im ‘Ring des Feuers’, wie man die Vulkangebiete rund um den Pazifik nennt, zusätzlich bedroht. Der folgende Tsunami nach einem Treffer bei den Salomon-Inseln wird an den Küsten Asiens, Australiens und Amerikas zerstörerische Folgen haben. War der Körper in der Größenordnung von einem Kilometer, dann dürfte er in der Gegend der Midway-Inseln den Pazifik getroffen haben. Dann Gnade Gott den Einwohnern in den Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte in Japan, Korea, China, den Philippinen und der nordamerikanischen Pazifikküste. Nicht viele dürften dort den Einschlag eines kilometergroßen Killers überlebt haben. Diese wenigen Millionen, die Hitze und Erdbeben überstanden haben, können nicht glücklich genannt werden, denn sie leben nur noch so lange, bis der folgende Tsunami sie zerschmettern wird.”

„Wenn er die Salomons getroffen hat, dann müsste doch Taipeh noch senden,” warf jemand ein. Ein bedrückendes Schweigen folgte dieser Feststellung, denn seitdem Theo Sagan die Ansprache der Generalsekretärin Lu-ni aus Taipeh aufgenommen hatte, war von dort kein Signal mehr eingetroffen.
Erst langsam begann jeder der Wissenschaftler sich zu fragen, wo seine Angehörigen sich zum Zeitpunkt der Katastrophe aufgehalten haben mögen. Manche hatten die Hoffnung, dass sie weit weg von den Midway-Inseln gewesen sein mögen. Denn sie wussten nicht, dass weitere Bruchstücke von Hephaistos im Atlantik, in der Sahara und im Amazonasgebiet niedergegangen waren.
Die Wissenschaftler in Siding Spring, am Rande der Blauen Berge, die nun brennende Berge waren, richteten sich ein auf eine schlimme Zukunft. Ob sie jemals wieder die Sonne erblicken würden, sie wussten es nicht.
 

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fritz-reichert@arcor.de